die letzten zwanzig Jahre kontinuier- lich zugenommen habe. Dabei ver- wies er auf statistische Daten, die belegen, dass heute rund zwei Pro- zent aller Todesfälle im Land durch assistierten Suizid geschehen. Die Mehrheit sei schwer krank, wobei Krebserkrankungen die häufigste Ursache darstellten. Güth führte weiter aus, dass sich der Anteil der Menschen, die in der Schweiz mit Suizidhilfe aus dem Leben scheiden, bis 2037 wohl auf etwa fünf Prozent erhöhen dürfte, falls die bisherige Entwicklung an- halte. Seiner Ansicht nach müsse man sich schon heute mit der Frage auseinandersetzen, wie die Gesell- schaft und der Staat damit umge- hen. Konkret: Wie ist sicherzustellen, dass alle, die das möchten, freien Zugang zu Sterbehilfe haben, und zwar in einer gesicherten Qualität? Güth zeigte sich überzeugt: «Das ist eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste medizinethische The- ma der nächsten Jahrzehnte.» Güth vertrat die Meinung, dass es von Vorteil wäre, wenn die Schweiz in einem demokratischen Prozess dafür sorgen würde, Regelungen zu schaffen. Regelungen, die sicher- stellen, dass Sterbehilfe so organi- siert ist, dass alle Zugang haben, und auch klären, wer dabei welche Verantwortung zu übernehmen hat. «Man könnte», so Güth, «die Ster- behilfe auf den Status einer medi- Daniel Häring: Die heutige Regelung ist gut. zinischen Intervention erhöhen, die dann auch von den Krankenkassen übernommen würde.» Kein rechtsfreier Raum Im Anschluss gab Dr. iur. Daniel Hä- ring, Rechtsanwalt und Kantons- richter im Kanton Basel-Landschaft, einen Überblick über die rechtliche Lage in der Schweiz. Er erläuterte, dass die bestehende Gesetzgebung keinen speziellen Rechtsrahmen für assistierte Suizide vorsehe, sondern sich auf das allgemeine Strafrecht stütze, namentlich auf Art. 115 des Strafgesetzbuches. Dieser stellt unter Strafe, «wer aus selbstsüchti- gen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet». Diese Bestimmung sei zwar alt und kurz, aber eben auch gut, denn sie erlaube es, das Phäno- men vollumfänglich zu erfassen, wie die Rechtsprechung zeige. Entgegen der immer wieder geäus- serten Auffassung, so Häring, sei es also nicht so, dass es in der Schweiz in Bezug auf Sterbehilfe einen EXIT-TAGUNGSBERICHT rechtsfreien Raum gebe. Vielmehr gebe es eine klare Regelung, und es sei an den Gerichten, im Einzelfall zu klären, ob Selbstsucht vorliege oder nicht. Genauso geschehe das aktu- ell im Fall der Sterbekapsel Sarco. «Das Recht», so Häring, «kann mit dem bestehenden Rahmen alle Fäl- le regeln.» Deshalb gelte aus seiner Sicht: «Don’t fix what’s not broken.» Verbesserungsbedarf bei Legalinspektion Häring vertrat im Weiteren jedoch die Position, dass es Verbesserungs- bedarf gebe, und zwar bei der Ab- wicklung der behördlichen Inspek- tion des Leichnams nach einem assistierten Suizid zwecks Feststel- lung der Todesursache und zum Aus- schluss einer Straftat. Häring verwies dabei auf die Belastung, welche die- se so genannte Legalinspektion bzw. Leichenschau für Angehörige dar- stellen kann. Diese würden es häufig als entwürdigend empfinden, wenn nach einem begleiteten Suizid die Polizei und der Amtsarzt mit einem Grossaufgebot anrückten. Das Vorgehen dabei sei heute in der Schweiz nicht einheitlich geregelt. Es gebe einen eigentlichen kantonalen Flickenteppich. Das sei problema- tisch für Rechtssicherheit und Pietät sämtlicher am Suizid beteiligten Per- sonen. Häring skizzierte eine mög- liche gesetzliche Regelung dafür, bezog zuletzt aber den Standpunkt, dass er eine Sonderregelung nicht eine Übersicht über Wortlaut und Ziel der einzelnen Forderungen sowie das weitere Vorgehen: 1. Weiterhin keine Spezialgesetzgebung hinsichtlich des assistierten Suizids Die erste Forderung von EXIT zielt darauf, eine Spezialgesetzgebung für assistierten Suizid in der Schweiz zu verhindern, wie sie zur Zeit wieder gefordert wird. Die Ta- gung machte einmal mehr deutlich, dass es keinen rechtsfreien Raum gibt, sondern eine taugliche strafrechtliche Bestimmung und eine klare Rechtsprechung dazu. Ma- rion Schafroth sagte an der Tagung, EXIT werde weiterhin alles unternehmen, um der Politik fundierte Grundlagen und Ar- gumente zukommen lassen. «Wir werden argumentieren müssen. So läuft Demo- kratie.» 2. Rechtliche Sonderkategorie «Ausser gewöhnlicher Todesfall» für den assis tier ten Suizid schaffen Mit dieser Forderung will EXIT erreichen, dass die nötigen behördlichen Massnah- men nach einem assistierten Suizid ein- EXIT-Info 1.2025 7