WELTKONGRESS richters ablaufen, keine Ärztin, Be- gleiterin, Infusionsfachperson muss ein Verfahren oder gar eine Strafe riskieren; Abklärungen und Unter- schriften genügen. Es gibt noch viel zu tun In diesem Sinn hat «Dying with Dignity» nicht nur für Kanada viel erreicht, sondern hoffentlich auch etwas für andere Länder. An Ster- behilfe-Kongressen war das meist- gehörte Wort bisher «Switzerland». Diesmal lag der Schwerpunkt bei «Canada» und den aktuellen, gro- ssen Fortschritten. Dignitas-Leiter Silvan Luley in seinem Vortrag über Rechtsperspektiven: «Wir müssen alle Involvierten zusammenbrin- gen, um miteinander zu sprechen und Lösungen zu finden.» Die in Toronto versammelten Interessen- vertreter für die Wahlfreiheit am Lebensende können in den zwei Jahren bis zum nächsten Treffen nun das Konferenz-Motto umset- zen: «Global Perspectives on End- of-Life Choices». Die Warnung von Senatorin Wallin klingt ihnen da- bei sicher in den Ohren: «Solange MAID im Gesundheitssystem nicht Standard ist, ist der Widerstand nicht gebrochen.» BS / MS Weltverband mit Schweizer Beteiligung Die beiden EXIT-Vereine (Deutsche Schweiz / Suisse Romande) sind wichtiger Teil des internationalen Dachverbands der Selbstbestimmungsorganisationen (WFRtDS). Aus den 62 Mitgliederorganisationen werden zaghafte Fortschritte vermeldet. Die mexikanische Medizinprofessorin Asuncion Alva- rez, Präsidentin des Weltverbandes WFRtDS, unter- streicht: «Wir helfen mit Wissen, Rat und Unterstützung, um in restriktiven Ländern die Hindernisse langsam zu überwinden. Die letzten Jahre waren erfolgreich: Im- mer mehr US-Staaten, Kanada, Neuseeland, Australien, Österreich lassen Sterbehilfe zu, ja selbst in Italien gab es den ersten Fall, und in Japan ist der Selbstbestim- mungsverein nun eine staatlich anerkannte Organisa- tion und die Patientenverfügung bekannt, Kolumbien macht ebenfalls vorwärts. Selbst in streng katholischen Ländern wie Irland hat das oberste Gericht entschieden, der Weg für ein Gesetz sei offen. Das zeigt: Gemeinsam erreichen wir mehr.» Am Kongress berichten Organisationen aus vielen Län- dern eindrücklich, was sie wie erreicht haben. Einige sprechen gar von einem «Domino-Effekt», seit die Sui- zidhilfe in den USA weit herum erlaubt wird. Andere Länderorganisationen – wie Island, Dänemark, Südko- rea, Nepal – sind neu dabei, schreiben fleissig mit und knüpfen die notwendigen Kontakte. Die Schweiz ist im Weltverband ein «Geberland», das jahrzehntelange Erfahrung, auch praktischer Natur, gerne teilt. Das zeigt sich allein daran, dass die klei- ne Schweiz mit fünf Sterbehilfevereinen (EXIT Deut- sche Schweiz, EXIT ADMD, Dignitas, Life Circle, Pega- sos) die grösste Abordnung stellt und mit 200 000 die meisten Mitglieder vertritt (vor den Niederlanden mit 175 000, Japan mit 100 000 und Frankreich mit 80 000). Dass Fortschritte nicht selbstverständlich sind, zeigt der Fall von Sean Davison, Alt-WFRtDS-Präsident, der 14 sich in Südafrika zugetragen hat: Sterbehilfe ist dort nicht legal. Davison wagte aber, bei drei alten Patienten, die sich mit einem Medikament selbst von ihren Lei- den erlösten, als mitmenschliche Geste dabeizusitzen. Das brachte ihm eine Verhaftung ein, einen Mordpro- zess mit Strafandrohung von 20 Jahren Gefängnis und schliesslich drei lange, harte Jahre unter Hausarrest. Und dies im Land, in dem der letzte WFRtDS-Kongress stattgefunden hat. Am Kongress in Toronto berichteten die Organisa tionen unisono: In den meisten Ländern befürwortet eine gros- se Mehrheit der Bevölkerung die Legalisierung der Ster- behilfe, aber die Gesundheitsindustrie und deswegen auch die Politik sind dagegen. Ein niederländischer Delegierter sagt es den anderen Teilnehmern ehrlich: «Bei uns hat es bis zur Legalisie- rung 30 Jahre gedauert, wappnet euch also mit Aus- dauer.» Nicht wenige der Delegierten am Kongress sind ebenfalls schon Jahrzehnte dabei im Engagement für den freien Tod, einige sind nicht mehr gut zu Fuss, set- zen sich aber immer noch voller Elan für die weitere Liberalisierung ein. Mut machen ihnen Beispiele wie das folgende aus Aus- tralien, wo die Sterbehilfe kürzlich legalisiert worden ist. Jane Morris, die Organisationsvizevorsitzende aus Melbourne berichtet hiervon: «Einer der ersten Patien- ten, der so sterben durfte, umarmte den Arzt, der ihm das Sterbemedikament überbrachte, und sagte ihm zum Abschied: ‹Ich bin so froh, Herr Doktor, Sie sind ein Lebensretter!›» BS EXIT-INFO 1.2023